Inhalt zu den Infos
1. Grundzüge zum Pflichtteilsrecht und Pflichtteil
2. Pflichtteil von pflichtteilsberechtigten Personen
3. Höhe des Anspruchs auf Pflichtteil - Pflichtteilsquote
4. Anspruch auf Pflichtteilsergänzung neben Pflichtteil und Abschmelzung
5. Zusatzpflichtteil im Pflichtteilsrecht
6. Ausschluss des Rechts auf Pflichtteil - Verlust der Pflichtteilsrechte
Einer der wesentlichen Grundsätze im deutschen Erbrecht ist der Grundsatz der sog. "Testierfreiheit". Hiernach kann jeder Testierende im Rahmen der sog. "gewillkürten Erbfolge", also unter Abweichung von der gesetzlichen Erbfolge, in einer von ihm zu errichtenden letztwilligen Verfügung, sei es durch privatschriftliches Einzeltestament, notarielles Einzeltestament, privatschriftliches gemeinschaftliches Ehegattentestament, notarielles gemeinschaftliches Ehegattentestament oder notariellen Erbvertrag, in freier Weise über sein Vermögen von Todes wegen verfügen und ist völlig frei darin, welche Erben er bestimmt und wem er das Vermögen nach seinem Tod letztendlich zuwendet.
Dieser, das deutsche Erbrecht beherrschenden Grundsatz der Testierfreiheit wird jedoch vom Gesetz durch das sog. "Pflichtteilsrecht" beschränkt, wodurch nach der Intension des
Gesetzgebers vermieden werden sollte, dass die nächsten Angehörigen des Testierenden bei dessen Tod völlig leer ausgehen und diese danach ggf. dem Staat gleichsam "auf der Tasche liegen" bzw. auf
staatliche Zuwendungen, wie z.B. Sozialhilfeleistungen, angewiesen sind. Dieses Pflichtteilsrecht bestimmt für den Fall, dass ein Testierender seine nächsten Angehörigen,
insbesondere seinen Ehegatten, seine Abkömmlinge bzw. deren Abkömmlinge oder die Eltern durch letztwillige Verfügung von der (gesetzlichen) Erbfolge ausschließt und damit enterbt, diesen
zumindest noch ein Mindestanspruch, nämlich der sog. "Pflichtteil" zustehen soll. Beim Pflichtteil handelt es sich jedoch um keinen (Mindest-)Erbteil, sondern vielmehr um einen
rein geldwerten Anspruch gegen den oder die vom Testierenden berufenen Erben.
Gem. § 2303 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zählen zu den pflichtteilsberechtigten Personen (Pflichtteilsberechtigte) lediglich:
Weitere Pflichtteilsberechtigte kennt das deutsche Erbrecht nicht. Die vorgenannte Aufzählung ist insoweit abschließend, wonach anderen Personen, wie z.B. den Geschwistern des
Erblassers, kein Pflichtteilsrecht zusteht.
Ist einer der vorstehend aufgezählten pflichtteilsberechtigten Personen vom Erblasser durch Verfügung von Todes wegen enterbt worden, steht diesem ein Anspruch auf Zahlung des Pflichtteils in
Geld gegen den oder die Erben zu, ohne dass dem Pflichtteilsberechtigte damit die rechtliche Stellung eines (Mit-)Erben zukommt.
Damit ist Voraussetzung für das Entstehen von Pflichtteilsrechten, dass eine pflichtteilsberechtigte Person von der Erbfolge durch letztwillige Verfügung des Erblassers ausgeschlossen worden ist
oder das Erbe in berechtigter Weise ausgeschlagen hat, ohne dadurch sein Pflichtteilsrecht verloren zu haben.
Schlägt eine zum (Mit-)Erben berufene und grundsätzlich pflichtteilsberechtigte Person das Erbe aus, verliert er in der Regel auch sein Pflichtteilsrecht. Etwas anderes gilt z.B. gem. § 2306
Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nur dann, wenn der ausschlagende pflichtteilsberechtigte Erbe durch Nacherbenbestimmung oder der Berufung eines
Testamentsvollstreckers oder Teilungsanordnung oder Vermächtnisanordnung oder der Anordnung von Auflagen entweder Beschränkungen oder Beschwerungen unterliegt.
Wenn einem Pflichtteilsberechtigten dagegen ein Vermächtnis zugewendet wurde, kann er gem. § 2307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entweder das Vermächtnis
ausschlagen und statt dessen den Pflichtteil geltend machen oder er kann das Vermächtnis annehmen, wonach er sich dieses auf seinen Pflichtteil anzurechnen
lassen hat, mit der Maßgabe, dass der dann zusätzlich nur noch den Restpflichtteil beanspruchen kann, soweit der Pflichtteil hinter dem Wert des Vermächtnisses, ohne die Berücksichtigung von
Beschwerungen und Beschränkungen, zurückbleibt.
Hier geben wir Ihnen Beispiele, um Ihnen das Pflichtteilsrecht von pflichtteilsberechtigten Personen zu erläutern.
Der verheiratete und in gesetzlicher Güterform lebende Erblasser (M), welcher zwei leibliche Abkömmlinge, nämlich die Kinder (K1) und (K2) hat, setzt in seinem Testament seine Ehefrau (F) zur
Alleinerben für sein gesamtes Nachlassvermögen ein, welches 200.000,00 € beträgt. Kurz vor seinem Ableben verstirbt das Kind K2, welches selbst zwei leibliche Abkömmlinge, nämlich die Enkelkinder
des Erblasser (E1) und (E2) hinterlässt.
Durch die alleinige Erbeinsetzung der Ehefrau (F) wurden die Kinder (K1) und (K2) von der (gesetzlichen) Erbfolge ausgeschlossen. Beide Kinder sind damit pflichtteilsberechtigt. Anstelle des
vorverstorbenen Kindes (K2) treten nunmehr dessen Abkömmlinge, also die Enkelkinder des Erblasser (E1) und (E2). Damit können von Kind (K1) und den Enkelkindern (E1) und (E2) Pflichtteilsrecht
gegen die zur Alleinerbin berufene Ehefrau (F) geltend gemacht werden.
Der verwitwete Erblasser (M), hat zwei leibliche Abkömmlinge, nämlich die Kinder (K1) und (K2). Er setzt in seinem Testament seinen Bruder (B) für sein gesamtes Nachlassvermögen, welches
100.000,00 € beträgt, ein und ordnet an, dass das Kinder (K1) ein Vermächtnis von 25.000,00 € erhalten soll.
Das Kind (K1) hat jetzt die Wahl, ob es entweder das ihm zugedachte Vermächtnis annimmt oder dieses ausschlägt und stattdessen seinen Pflichtteil vom Bruder (B) des Erblassers beansprucht,
während das Kind (K2) gegenüber diesem allein seinen Pflichtteil geltend machen kann.
Zur Bestimmung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs ist zunächst die Höhe der Pflichtteilsquote zu ermitteln. Die Höhe der Pflichtteilsquote regelt § 2303 Abs.1
S.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach beträgt die Höhe des (ordentlichen) Pflichtteils die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Bei der Berechnung
des quotenmäßigen Pflichtteilsanspruchs ist danach zunächst der gesetzliche Erbteil des Pflichtteilsberechtigten zu ermitteln, welcher sich bei gesetzlicher Erbfolge ergeben würde, mit der
Maßgabe, dass dieser danach halbiert wird.
Für die Berechnung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs ist danach gem. § 2311 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf den Wert des Bestands des Nachlasses zum Zeitpunkt des
Erbfalles abzustellen. Vom Aktivnachlass werden nur pflichtteilsrelevante Nachlassverbindlichkeiten abgezogen, wonach z.B. angeordnete Vermächtnissen oder Vergütungen eines
Testamentsvollstreckers nicht abgezogen werden dürfen, um zu verhindern, dass der Erblasser durch derartige Anordnungen die Pflichtteilsansprüche zu Lasten der Pflichtteilsberechtigten unterläuft
oder schmälert.
Damit der Pflichtteilsberechtigte seine Pflichtteilsansprüche der Höhe nach konkret beziffern und einfordern kann, stehen ihm gegen den Erben mehrere Auskunftsansprüche gem. §
2314 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu. Er kann zunächst Auskunft über den Bestand des Nachlasses zum Stichtag durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses gem. § 2314
Abs.1 S.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beanspruchen. Darüber hinaus kann er ein notarielles Nachlassverzeichnis gem. § 2314 Abs.1 S.3 Bürgerliches Gesetzbuch
(BGB) sowie die Vorlage von
Wertermittlungsgutachten eines Sachverständigen über die in den Nachlass fallenden Nachlassgegenstände von unbestimmten Wert (z.B. Immobilien) gem. § 2314 Abs.1 S.2 Bürgerliches
Gesetzbuch (BGB) einfordern.
Sollten danach noch Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte bestehen, kann zudem auch noch die eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten
Auskünfte gem. § 260 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gefordert werden.
Hier geben wir Ihnen Beispiele, um Ihnen die Berechnung der Pflichtteilsquote zu erläutern.
Der in der gesetzlichen Güterform der Zugewinngemeinschaft verheiratete Erblasser (M), welcher nur einen leiblichen Abkömmling, nämlich das Kind (K1) hat, bestimmt in einem Testament seine
Ehefrau (F) zu seiner Alleinerben, welche sein gesamtes Nachlassvermögen von 200.000,00 € erben soll.
Durch die alleinige Erbeinsetzung der Ehefrau (F) wurde das Kind (K1) enterbt und von der (gesetzlichen) Erbfolge ausgeschlossen. Das Kind (K1) ist damit pflichtteilsberechtigt. Bei gesetzlicher
Erbfolge, also ohne die Errichtung eines Testaments, wären die Ehefrau (F) und das Kind (K1) nach dem Erblasser (M) gemeinsam zur Erbfolge berufen gewesen, wonach die Erbquoten der Ehefrau (F)
und von Kind (K1) jeweils 1/2 betragen hätte. Zwar erben Ehegatten erben neben Verwandten der ersten Ordnung, z.B. Kindern, nur zu 1/4; beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft
erhöht sich die Erbquote des Ehegatten gem. § 1371 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aber um einen pauschalierten Zugewinnausgleich von Todes wegen in Höhe von 1/4 auf 1/2 (1/4 + 1/4). Danach beträgt die
Pflichtteilsquote von Kind (1) infolge dessen Enterbung lediglich 1/4 (1/2 : 2), nämlich die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Damit kann das Kind (K1) gegenüber der zur Alleinerbin berufenen
Ehefrau (F) die Zahlung eines ordentlichen Pflichtteils von 50.000,00 € (200.000,00 € x 1/4) in Geld einfordern.
Der verheiratete Erblasser (M), welcher mit seiner Ehefrau (F) in der gesetzlichen Güterform der Zugewinngemeinschaft lebte und nur einen leiblichen Abkömmling hat, nämlich das Kind (K1), setzt
in seinem Testament das Kind (K1) zu seinem Alleinerben ein. Das Nachlassvermögen des Verstorbenen beträgt 200.000,00 €.
Bei diesem Beispiel stellt sich die Frage, ob hier wie im vorstehenden Beispiel bei der Berechnung der Pflichtteilsquote der im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebenden und
enterbten Ehefrau im Zuge die zunächst zu bestimmende Erbquote bei gesetzlicher Erbfolge, welche neben Verwandten der ersten Ordnung nur 1/4 beträgt, ebenfalls um ein weiteres 1/4 auf 1/2 (1/4 +
1/4) zu erhöhen ist. Gem. § 1371 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) findet in diesem Fall jedoch einer Erhöhung nicht statt. Ein pauschalierter Zugewinnausgleich von Todes wegen ist hiernach nur dann
zu berücksichtigen, wenn der Ehegatte selbst auch Erbe bzw. Miterbe wird; ist dies nicht der Fall, ist der Ehegatte darauf verwiesen, den Zugewinnausgleich gem. §§ 1373 bis 1383, 1390
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
konkret zu berechnen.
Danach hätte im obigen Fall die Erbquote der Ehefrau (F) bei gesetzlicher Erbfolge nur 1/4 betragen, woraus sich eine Pflichtteilsquote der enterbten Ehefrau (F) in hälftiger Höhe von 1/8 (1/4 :
2) ableitet. Damit kann die Ehefrau (F) gegenüber dem zum Alleinerben berufenen Kind (K1) einen ordentlichen Pflichtteil von 25.000,00 € (200.000,00 € x 1/8) durch Zahlung in Geld beanspruchen.
Nimmt ein Erblasser zu seinen Lebzeiten aus seinem Vermögen unentgeltliche Zuwendungen - also Schenkungen - an Dritte vor, vermindert dies naturgemäß den Nachlass des Erblassers im Erbfall, da die weggegebenen Vermögenpositionen dann nicht mehr zum Nachlassvermögen gehören. Dies schmälert sowohl das Erbe der Erben, wie auch die Pflichtteilsrechte der Pflichtteilsberechtigten. Das Gesetz gewährt in diesen Fällen sowohl den Erben, als auch den Pflichtteilsberechtigten in der Regel einen Ausgleich in der Form von Ansprüchen auf Pflichtteilsergänzung gem. §§ 2325 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), welche wir Ihnen unter Pflichtteilsergänzung gesondert aufzeigen.
In den Fällen, in welchen ein Pflichtteilsberechtigter zwar als Erbe eingesetzt worden ist, sein Erbteil jedoch den Pflichtteil nicht erreicht, also der Erbteil geringer ist als der Pflichtteil, gewährt § 2305 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dem Erben einen Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil, wodurch eine Erhöhung des Erbteils auf den Pflichtteil bewirkt wird.
Hier geben wir Ihnen ein Beispiel, um Ihnen den Zusatzpflichtteil zu erläutern.
Der Erblasser (M) ist im Güterstand der Zugewinngemeinschaft mit der Ehefrau (F) verheiratet und hat mit dieser nur ein gemeinsames Kind (K). Der Erblasser (M) setzt in einem Testament seine
Ehefrau (F) und das Kind (K) gemeinsam zu Erben zu gleichen Teilen ein. Ferner bestimmt er im Testament durch Teilungsanordnung gem. § 2048 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), dass aus seinem Gesamtvermögen seine
Ehefrau (F) die Immobilie mit einem Wert von 500.000,00 € und das Kind (K) das übrigen vorhandene geldwerte Vermögen von 100.000,00 € erhalten soll.
In diesem Fall beträgt der Gesamtnachlass des verstorbenen Erblassers (M) 600.000,00 € (500.000,00 € + 100.000,00 €). Bei gesetzliche Erbfolge wären die Ehefrau (F) und das Kind (K) zu gleichen
Teilen, also je zu 1/2, zu (Mit-)Erben berufen gewesen, wonach die Erbteile der Ehefrau (F) und des Kindes (K) wertmäßig jeweils 300.000,00 € (600.000,00 € : 2) betragen hätten, woraus sich ein
Pflichtteil von beiden von jeweils 150.000,00 (600.000,00 € : 2 : 2) errechnet. Hier erhält das Kind (K) nach dem Testament des Erblassers (M) jedoch nur wertmäßig 100.000,00 €, also weniger als
ihr Pflichtteil beträgt. Das Kind (K) hat daher einen Zusatzpflichtteilsanspruch gegen die zur Miterbin berufene Ehefrau (F) auf Zahlung von weiteren 50.000,00 € (150.000,00 –
100.000,00 €), um als Miterbin zumindest ihren Pflichtteil zu erhalten.
Einen Ausschluss des Pflichtteilsrechts, mit der Folge, dass Pflichtteilsberechtigte leer ausgehen, lässt das deutsche Erbrecht nur in wenigen Ausnahmen zu. An den Verlust des Pflichtteils knüpft das Gesetz hohe Hürden.
In § 2345 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist die Pflichtteilsunwürdigkeit geregelt. Danach ist der Pflichtteilsberechtigte dann pflichtteilsunwürdig und verliert seinen Pflichtteilsanspruch, wenn er sich einer der in § 2339 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelten Verfehlung schuldig gemacht hat. Dies ist dann der Fall, wenn der Pflichtteilsberechtigte
Darüber hinaus steht gem. § 2346 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) demjenigen kein Pflichtteil zu, der auf sein Erbrecht oder sein Pflichtteilsrecht rechtswirksam verzichtet hat; ein derartiger Erbverzicht oder Pflichtteilsverzicht bedarf zur Wirksamkeit allerdings gem. § 2348 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) regelmäßig der notariellen Beurkundung.
Daneben steht dem Ehegatten des Erblassers ein Pflichtteil dann nicht mehr zu, wenn beim Tod des Erblassers bereits ein Verfahren auf Scheidung der Ehe eingeleitet wurde und Scheidungsantrag eingereicht worden war. Denn das Erbrecht des Ehegatten und damit auch das Pflichtteilsrecht erlischt gem. § 1933 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bereits dann, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zumindest zugestimmt hatte; das Gleiche gilt auch dann, wenn der Erblasser berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen und einen solchen Antrag gestellt hatte.
Ferner kann der Erblasser einem Abkömmling, dem Ehegatten oder einem Elternteil gem. § 2333 Abs.1, Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) den Pflichtteil ausdrücklich entziehen. Eine Pflichtteilsentziehung ist jedoch nur in den Fällen möglich, wenn dieser
Die Entziehung des Pflichtteils kann gem. § 2336 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nur durch letztwillige Verfügung erfolgen. Dabei muss der Grund der Entziehung zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung (noch) bestehen und in der letztwilligen Verfügung ausdrücklich angegeben werden. Das Recht zur Entziehung des Pflichtteils erlischt gem. § 2337 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) jedoch nachträglich durch Verzeihung durch den Erblasser.
Im Übrigen kann der Erblasser gem. § 2338 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) das Pflichtteilsrecht des Pflichtteilsberechtigten in guter Absicht beschränken. Wenn sich ein Abkömmling in einem hohen Maß der Verschwendung hingegeben oder sich in solchem Maß überschuldet hat, dass sein späterer Erwerb des Pflichtteils bei Eintritt des Erbfalls erheblich gefährdet wird, so kann der Erblasser das Pflichtteilsrecht des Abkömmlings durch eine Anordnung dahingehend beschränken, dass er dieses beispielsweise den Verfügungsbeschränkungen eines (nicht befreiten) Vorerben unterwirft oder die Verwaltung des Pflichtteils durch Anordnung einer Testamentsvollstreckung einem eingesetzten Testamentsvollstrecker überträgt. Dadurch erhält der Pflichtteilsberechtigte zwar seinen Pflichtteil, kann darüber jedoch nur beschränkt verfügen und diesen somit nicht verschwenden.
Schließlich können Pflichtteilsrechte auch durch Verjährung untergehen.
Die Verjährungsfrist für Pflichtteilsansprüche i.S.v. §§ 2303 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beträgt gem. § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) drei Jahre. Die Verjährungsfrist beginnt gem. § 199 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Ende des Jahres, in dem folgende
Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
Ohne Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Erbfall besteht gem. § 199 Abs.3a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine maximale Verjährungsfrist von 30 Jahren zur Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs.
Die Verjährungsfrist für Pflichtteilsergänzungsansprüche i.S.v. §§ 2325 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beträgt gem. § 2332 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zwar ebenfalls drei Jahre. Abweichend von §
199 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beginnt die Verjährungsfrist für die dem Pflichtteilsberechtigten gem. § 2329 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegen den Beschenkten zustehende
Pflichtteilsergänzungsansprüche jedoch bereits mit dem Erbfall und damit unabhängig von der Kenntniserlangung des Pflichtteilsberechtigten. Dies gilt auch, wenn der Beschenkte zugleich Erbe
ist.
Nach Verjährung von Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüchen können diese vom Pflichtteilsberechtigten nicht mehr realisiert werden, wenn hiergegen die Einrede der
Verjährung erhoben wird, womit regelmäßig zu rechnen ist.
Regelmäßig verfolgen Erblasser die Intension, den oder die von ihnen eingesetzten Erben vor der Inanspruchnahme durch Pflichtteilsberechtigte zu bewahren, um beispielsweise zu vermeiden, dass von diesen der Nachlass verwertet werden muss, um Pflichtteilsrechte zu befriedigen. Insoweit stellt sich die Frage nach Pflichtteilsvermeidungsstrategien, nämlich danach, ob und welche Möglichkeiten bestehen, die Geltendmachung von Pflichtteilsrechten bereits im Vorfeld zu vermeiden oder Pflichtteilsrechte zumindest herabzusetzen, nachdem es ungeachtet der vorstehend dargestellten Ausnahmen bei Eintritt des Erbfalls in der Regel nicht möglich ist, die Geltendmachung von Pflichtteilsrechten vollständig zu vermeiden. Hierzu gibt es z.B. nachfolgende Strategien, welche nicht für abschließend zu betrachten sind.
Da sich die Höhe des Pflichtteils nach der Höhe des beim Erbfall vorhandenen Nachlasses richtet, gilt der Grundsatz "Wo kein Nachlass, da auch kein Pflichtteil". Der Erblasser kann also zur
Vermeidung des Entstehens von Pflichtteilsansprüchen der Pflichtteilsberechtigten bei seinem Tod bereits im Vorfeld zu Lebzeiten versuchen, sein Vermögen systematisch beiseite zu
schaffen oder zu verwerten, nämlich z.B. Immobilien zu veräußern.
Allerdings bleibt bei der lebzeitigen Verwertung von Vermögensgegenständen der Verwertungserlös als Surrogat im Vermögen des Erblassers; hinzukommt, dass eine Verwertung von Vermögen unter deren
tatsächlichen Wert eine gemischte Schenkung darstellt und damit zwar Pflichtteilsansprüche verringert, diese jedoch geeignet ist, Pflichtteilsergänzungsansprüche der Pflichtteilsberechtigten
auszulösen.
Auch das Beiseiteschaffen von Vermögen, also z.B. das Verschaffen von Vermögenswerte an einen den Pflichtteilsberechtigten unbekannten Ort, lässt die Zugehörigkeit des beiseite geschafften
Vermögens zum Nachlass des Erblassers grundsätzlich unberührt; dies stellt allerdings im Erbfall den Pflichtteilsberechtigte regelmäßig vor die Schwierigkeit, den Verbleib und
die Existenz des beiseite geschafften Vermögens aufzuklären, sofern der ihm gegenüber zur Auskunft verpflichtete Erbe diesbezüglich keine Aufklärung schafft.
Der Erblasser ist zu dessen Lebzeiten in der Regel völlig frei darin, über sein Vermögen zu verfügen. Er kann also sein Vermögen oder Teile davon auf Dritte unentgeltlich im Wege
von Schenkungen übertragen. Dadurch werden im Erbfall sowohl der Nachlass des Erblassers, wie auch die Pflichtteilsansprüche von Pflichtteilsberechtigten geschmälert.
Allerdings lösen die Schenkungen regelmäßig Pflichtteilsergänzungsansprüche aus, wonach Pflichtteilsberechtigte den fiktiven Pflichtteil von dem verschenkten Vermögen entweder vom Erben oder dem
Beschenkten anstelle des durch die Schenkung verringerten Pflichtteils einfordern können. Gleichwohl kann dies wegen der Abschmelzung, wonach der Wert der unentgeltlichen Zuwendung mit jedem
Jahr, das zwischen dem Zeitpunkt der Zuwendung und dem Erbfall liegt um 1/10 weniger berücksichtigt wird und bei mehr als 10 Jahren sogar vollständig unberücksichtigt bleibt, zu
einer erheblichen Verringerung oder gar dem völligen Wegfall von Pflichtteilsrechten führen.
Insoweit gilt es jedoch unbedingt darauf zu achten, dass die zehnjährige Abschmelzungsfrist auch tatsächlich mit der Zuwendung zu laufen beginnt. Dies ist nämlich bei Zuwendungen
an Ehegatten gem. § 2325 Abs.3 S.3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und bei vorbehaltenen Rechten des Erblassers am Schenkungsgegenstand, wie z.B. bei einem vorbehaltenen, lebenslangen und
unentgeltlichen Nießbrauchsrecht oder Wohnungsrecht, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung i.d.R. nicht gegeben.
Ungeachtet des Vorerwähnten kann der Erblassers bei lebzeitigen Zuwendungen seines Vermögens oder Teilen davon an Dritte das Entstehen von Pflichtteilsergänzungsansprüchen dadurch zu vermeiden
versuchen, indem er das Vermögen nicht verschenkt, sondern eine angemessene Gegenleistung vereinbart. Überträgt er beispielsweise sein Immobilienvermögen an Dritte gegen Zahlung einer
lebenslangen monatlichen Leibrente oder gegen Gewährung eines lebenslangen unentgeltlichen Wohnungsrechts oder Nießbrauchsrechts oder einer
Verpflichtung zur lebenslangen Wart und Pflege bzw. der Verpflichtung zur Erbringung von Pflegeleistungen und stehen diese Gegenleistungen im gleichen Wertverhältnis wie der Wert die übertragenen
Immobilien, liegt weder eine Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösende Vollschenkung, noch eine gemischte Schenkung vor und der Nachlass sowie der Pflichtteil wurden geschmälert.
Der Erblasser kann den Anfall von Pflichtteils- und etwaigen Pflichtteilsergänzungsansprüchen im Erbfall auch dadurch verhindern, indem er den Pflichtteilsberechtigten bereits zu seinen Lebzeiten Teile seines Vermögens zuwendet und die Pflichtteilsberechtigten im Gegenzug auf ihr Erbrecht und/oder Pflichtteilsrecht verzichten. Ein derartiger Verzicht bedarf allerdings zur Wirksamkeit gem. § 2348 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der notariellen Beurkundung.
Will ein Erblasser Pflichtteilsansprüche im Erbfall vermeiden oder zumindest schmälern, kann der den Pflichtteilsberechtigten zu seinen Lebzeiten auch Vermögenteile übertragen und dies zum Zeitpunkt der Zuwendung mit ausdrücklichen Anordnung verbinden, dass sich die Pflichtteilsberechtigten deren Wert auf ihren Pflichtteilsanspruch anrechnen lassen müssen. § 2315 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestimmt nämlich, dass sich der Pflichtteilsberechtigte auf den Pflichtteil das anrechnen zu lassen hat, was ihm vom Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet worden ist, dass es auf den Pflichtteil angerechnet werden soll. Bei der Pflichtteilsberechnung im Erbfall wird dann Wert der Zuwendung dem Nachlass gem. § 2315 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zunächst hinzugerechnet.
Durch die geschickte Gestaltung einer letztwilligen Verfügung kann der Erblasser zumindest versuchen, die Pflichtteilsberechtigten bei seinem Tod von der Geltendmachung ihrer Pflichtteilrechte
gegen den Erben abzuhalten, indem er für den Fall der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen erbrechtliche Nachteile anordnet. So können beispielsweise Ehegatten, welche ein gemeinschaftlicher
Ehegattentestament in der typischen Form eines sog. "Berliner Testaments" errichten, in welchem sich die Ehegatten beim Tod des Erstversterbenden wechselseitig zu Alleinerben einsetzen und nach
dem Tod des Letztversterbenden die Abkömmlinge gemeinsam zu gleichen Teilen zu Schlusserben berufen, im Zuge einer einfachen Pflichtteilsstrafklausel bestimmen, dass derjenige Abkömmling, welcher
nach dem Tod des Erstversterbenden gegen den Willen des längstlebenden Elternteils seinen Pflichtteil geltend macht, von der Erbfolge nach dem Ableben des Längstlebenden ausgeschlossen ist und
ebenfalls nur den Pflichtteil erhält.
Neben den einfachen Pflichtteilsstrafklauseln gibt es auch noch andere gängige Strafklauseln, mit deren Hilfe man in einem Testament der Geltendmachung von Pflichtteilsrechten
begegnen kann. Bei der sog. "Jastrow‘schen Formel" findet gegenüber einfachen Pflichtteilsstrafklauseln eine zusätzliche Verschärfung dadurch statt, indem darüber hinaus bestimmt
wird, dass diejenigen Abkömmlinge, die nach dem erstversterbenden Elternteil auf die Geltendmachung ihres Pflichtteils verzichten, zusätzlich zu ihrem Erbteil nach dem Tod des Längstlebenden noch
ein Vermächtnis in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils nach dem Erstversterbenden erhalten. Der seinen Pflichtteil geltend machende Abkömmling wird hierdurch in seinem Pflichtteil nach dem Tod des
Längstlebenden noch weiter benachteiligt, da dessen Nachlass, woraus sich der Pflichtteil bestimmt, um die gestundeten Vermächtnisse erheblich vermindert wird.
Eine der weiteren Möglichkeiten von Erblassern, um den Pflichtteil einzelner Pflichtteilsberechtigte zu verringern, ist es, den Kreis der Pflichtteilsberechtigten zu Lebzeiten
rechtzeitig zu erweitern. Hierzu kann sich der Erblasser entweder, z.B. nach dem Vorversterben seines früheren Ehegatten wieder, verheiraten oder dritte Personen
adoptieren. Dadurch kommt es im Erbfall zu einer Verringerung der Pflichtteilsquoten der bisherigen Pflichtteilsberechtigten.
Hat beispielsweise ein verwitweter Erblasser nur einen leiblichen Abkömmling, wäre dessen Pflichtteil die Hälfte des Nachlasses (1 : 2). Heiratet der Erblasser nunmehr aber nochmals im
gesetzlichen Güterstand und adoptiert zusätzlich noch eine Person, verringert sich der Pflichtteil des ursprünglich einzigen Abkömmlings auf 1/8 (1/4 : 2).
Schließlich kann versucht werden, durch eine geschickte Verlegung des Wohnsitzes des Erblassers rechtzeitig vor dessen Tod in einen ausländischen Staat, dessen Erbrecht ein gesetzliches Pflichtteilsrecht nicht kennt, Pflichtteilsansprüche zu vermeiden. Staaten, die entweder überhaupt kein oder nur ein eingeschränktes Pflichtteilsrecht kennen, sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit derzeit z.B.:
Um im Erbfall die ausschließliche Anwendbarkeit ausländischen Erbrechts, welches eine Pflichtteilsrecht nicht kennt, sicher zu begründen genügt nicht lediglich die Aufnahme einer Rechtswahlbestimmung in ein Testament, in welchem der Testierende die ausschließliche Anwendbarkeit eines ausländischen Erbrecht anordnet. Hierfür ist es nach den Regelungen der am 17.08.2015 in Kraft getretenen Europäische Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) vielmehr erforderlich, dass der Erblasser in dem ausländischen Staat seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte, also dorthin dauerhaft seinen Wohnsitz verlegt und seinen Lebensmittelpunkt dort begründet hatte und weder ein Missbrauch noch eine Umgehung der Europäischen Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) vorliegt.
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