Hier geben wir Ihnen alle Infos zu den im deutschen Erbrecht geltenden Grundsätzen der Pflichtteilsergänzung.
Da sich der Pflichtteil nach dem Bestand des Nachlasses zum Todeszeitpunkt als Stichtag berechnet, könnte der Erblasser die Pflichtteilsansprüche des Pflichtteilsberechtigten dadurch unterlaufen,
dass der sein Vermögen zu Lebzeiten ganz oder teilweise beiseiteschafft, beispielsweise an Dritte verschenkt. Damit würde sich nur noch ein erheblich verringerter Nachlassbestand
zum Todeszeitpunkt oder gar kein nennenswerter Nachlass mehr ergeben, mit der Folge, dass sich Pflichtteilsansprüche ebenfalls entsprechend verringern würden oder im schlimmsten Fall gar kein
ordentlicher Pflichtteil mehr zu realisieren wäre. Einer derartigen Beeinträchtigung von Pflichtteilsrechten tragen die erbrechtlichen Bestimmungen dadurch Rechnung, dass es dem
Pflichtteilsberechtigten dann einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. §§ 2325 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegen den oder die Erben oder unter bestimmten Bedingungen auch den oder die Beschenkten
gewährt.
Im Gesetz ist deshalb in §§ 2325 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung geregelt. Die dortigen Regelungen zur Pflichtteilsergänzung bestimmen, dass Schenkungen des
Erblassers in den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall i.d.R. bei der Berechnung der Pflichtteilrechte dem Nachlass anteilig hinzugerechnet werden, § 2325 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch
(BGB). Allerdings unterliegt die
Pflichtteilsergänzung seit dem 01.01.2010 in der Regel der sog. "Abschmelzung".
Hier geben wir Ihnen zwei Beispiele, um Ihnen die Pflichtteilsergänzung mit und ohne Berücksichtigung der Abschmelzung zu erläutern.
Der Erblasser (M) ist mit seiner Ehefrau (F) in Zugewinngemeinschaft verheiratet. Beide haben nur ein gemeinsames Kind (K). Der Erblasser (M) setzt in seinem Testament seine Ehefrau (F) zu seiner
Alleinerbin ein. Allerdings hat er aus seinem Vermögen innerhalb des letzten Jahres vor seinem Tod an seine Nichte (N) 100.000,00 € verschenkt, wonach sein Nachlass beim Tod nur noch 500.000,00 €
beträgt.
Für die Berechnung der Ansprüche auf Pflichtteil und Pflichtteilsergänzung des enterbten und damit pflichtteilsberechtigten Kindes (K) ist zu dem beim Tod des verstorbenen Erblassers (M) noch
vorhandenen Nachlass von 500.000,00 € der zu dessen Lebzeiten verschenkte Geldbetrag von 100.000,00 €, nämlich der fiktive Nachlass, zu addieren. Ausgehend von einer Pflichtteilsquote des
Kindes (K) in Höhe der Hälfte von dessen gesetzlichen Erbteil von 1/4 (1/2 : 2) ergibt sich damit ein Gesamtbetrag aus Pflichtteil und Pflichtteilsergänzung von 150.000,00 € ((500.000,00 € +
100.000,00 €) : 4), welcher sich aus einem ordentlichen Pflichtteil von 125.000,00 € (500.000,00 € : 4) und einem Anspruch auf Pflichtteilsergänzung von 25.000,00 € (100.000,00 € : 4)
zusammensetzt.
Wegen der seit dem 01.01.2010 geltenden Abschmelzung gem. § 2325 Abs.3 S.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist die Schenkung für jedes Jahr, welche die Schenkung weiter vor dem Erbfall zurückliegt, mit 1/10
weniger zu berücksichtigen. Im vorgenannten Beispiel würde die Schenkung somit nur noch mit 8/10, also nur noch in Höhe von 80.000,00 € berücksichtigt, wenn sie bereits mehr als
zwei Jahre, jedoch nicht mehr als drei Jahre vor dem Tod des Erblassers (M) erfolgt wäre. In diesem Fall würde sich danach für das Kind (K) ein Gesamtbetrag aus Pflichtteil und
Pflichtteilsergänzung von 145.000,00 € ((500.000,00 € + 80.000,00 €) : 4) ergeben, welcher sich nach dem ordentlichen Pflichtteil von 125.000,00 € (500.000,00 € : 4) und der Pflichtteilsergänzung
von 20.000,00 € (80.000,00 € : 4) bestimmt.
Wäre die Schenkung dagegen bereits vor mehr als zehn Jahren vor dem Tod des Erblassers (M) erfolgt, ist sie gem. § 2325 Abs.3 S.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bei der Pflichtteilsergänzung nicht mehr zu
berücksichtigen. Im obigen Beispiel würde somit das Kind (K) in diesem Fall nur noch allein seinen ordentlichen Pflichtteil von 125.000,00 € (500.000,00 € : 4) erhalten, jedoch keine
darüberhinausgehende Pflichtteilsergänzung mehr.
Eine Abschmelzung bei der Pflichtteilsergänzung findet gem. § 2325 Abs.3 S.3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht statt, wenn die Schenkung des Erblassers an den Ehegatten erfolgt. Daneben beginnt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) die zehnjährige Abschmelzungsfrist bei der Pflichtteilsergänzung in der Regel nicht vor dem Erbfall anzulaufen, wenn sich der Erblasser als Schenker weitestgehend Nutzungen an dem Schenkungsgegenstand bis zu seinem Tod vorbehalten hat, z.B. durch eine lebenslanges Wohnungsrecht oder Nießbrauchsrecht.
Wenn also im vorgenannten Beispiel der Erblasser (M) zu dessen Lebzeiten einen Geldbetrag von 100.000,00 € an seine Ehefrau (F) verschenkt hätte, wäre diese Schenkung unabhängig davon, wann und vor wieviel Jahren sie erfolgte, vollumfänglich bei der Pflichtteilsergänzung zu berücksichtigen, ohne dass eine Abschmelzung stattfindet und ohne dass die Zehnjahresfrist gem. § 2325 Abs.3 S.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gilt. In diesem Fall beträgt somit die Pflichtteilsergänzung von Kind (K) nach dem Beispiel stets 25.000,00 € (100.000,00 € : 4).
Die Pflichtteilsergänzung ist von dem Bestehen eines Anspruchs auf den ordentlichen Pflichtteil völlig unabhängig. Pflichtteilsergänzung kann daher sowohl von einem enterbten Pflichtteilsberechtigten, als auch von einem zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten zählenden Erben oder Vermächtnisnehmer geltend gemacht werden und zwar immer dann, wenn der Pflichtteil aus dem fiktiven Nachlass, also dem ohne die Schenkung verringerten Nachlass, den Wert des Erbteils oder Vermächtnisses übersteigt.
Hier geben wir Ihnen ein Beispiel, um Ihnen den Anspruch eines Beteiligten auf Pflichtteilsergänzung trotz dessen Erbenstellung zu verdeutlichen.
Der Erblasser (M) ist mit seiner Ehefrau (F) in Zugewinngemeinschaft verheiratet. Beide haben weder eigene, noch gemeinsame Kinder. Der Erblasser (M) setzte in seinem Testament zwar seine Ehefrau (F) zu seiner Alleinerbin ein. Allerdings hatte er sein gesamtes Vermögen in Höhe von 100.000,00 € innerhalb des letzten Jahres vor seinem Tod an seine Nichte (N) verschenkt, wonach bei seinem Tod kein Nachlass mehr vorhanden ist.
In diesem Fall ist die Ehefrau (F) zwar die Alleinerbin des verstorbenen Erblassers (M), erbt jedoch nichts, da kein Nachlass mehr vorhanden ist. Sie hat dafür jedoch einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung gegen die zu Lebzeiten des Erblassers (M) von diesem beschenkte Nichte (N). Als Pflichtteilsergänzung kann die Ehefrau (F) von der Nichte (N) den Betrag fordern, welcher ihrer Pflichtteilsquote aus dem Wert der Schenkung an diese entspricht.
Einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung kann nur eine im Erbfall pflichtteilsberechtigte Person haben. Zur Pflichtteilsergänzung berechtigte Personen sind hiernach nur der pflichtteilsberechtigte Ehegatte des Erblassers, die pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge des Erblassers (Kinder) oder bei deren Vorversterben oder Ausschlagung des Erbes deren Abkömmlinge (Enkelkinder) und sofern solche nicht vorhanden sein sollten, die pflichtteilsberechtigten Eltern des Erblassers. Andere Personen bzw. Verwandte des Erblassers sind nicht pflichtteilsberechtigt und haben somit auch kein Recht auf Pflichtteilsergänzung.
Grundvoraussetzung für das Entstehen des Anspruchs einer Person auf Pflichtteilsergänzung ist, dass die betreffende Person zum pflichtteilsberechtigten Personenkreis gehört und ein Pflichtteilsanspruch nicht aus anderen Gründen ausgeschlossen ist, ungeachtet der Tatsache, dass die Pflichtteilsergänzung als rechtlich selbständiger und außerordentlicher Pflichtteilsanspruch von einem Anspruch auf den ordentlichen Pflichtteil unabhängig ist. Insoweit finden Sie weitere Informationen zur Pflichtteilsergänzung, zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten und zu den ordentlichen Pflichtteilsansprüchen auf unserer Seite zum Pflichtteil mit eingehenden Erläuterungen.
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