Pflichtteilsrecht - Pflichtteil und Pflichtteilsergänzung


Grundzüge zum Pflichtteilsrecht und Pflichtteil

Einer der wesentlichen Grundsätze im deutschen Erbrecht ist der Grundsatz der sog. "Testierfreiheit". Hiernach kann jeder Testierende im Rahmen der sog. "gewillkürten Erbfolge", also unter Abweichung von der gesetzlichen Erbfolge, in einer von ihm zu errichtenden letztwilligen Verfügung, sei es durch privatschriftliches Einzeltestament, notarielles Einzeltestament, privatschriftliches gemeinschaftliches Ehegattentestament, notarielles gemeinschaftliches Ehegattentestament oder notariellen Erbvertrag, in freier Weise über sein Vermögen von Todes wegen verfügen und ist völlig frei darin, welche Erben er bestimmt und wem er das Vermögen nach seinem Tod letztendlich zuwendet.


Dieser, das deutsche Erbrecht beherrschenden Grundsatz der Testierfreiheit wird jedoch vom Gesetz durch das sog. "Pflichtteilsrecht" beschränkt, wodurch nach der Intension des Gesetzgebers vermieden werden sollte, dass die nächsten Angehörigen des Testierenden bei dessen Tod völlig leer ausgehen und diese danach ggf. dem Staat gleichsam "auf der Tasche liegen" bzw. auf staatliche Zuwendungen, wie z.B. Sozialhilfeleistungen, angewiesen sind. Dieses Pflichtteilsrecht bestimmt für den Fall, dass ein Testierender seine nächsten Angehörigen, insbesondere seinen Ehegatten, seine Abkömmlinge bzw. deren Abkömmlinge oder die Eltern durch letztwillige Verfügung von der (gesetzlichen) Erbfolge ausschließt und damit enterbt, diesen zumindest noch ein Mindestanspruch, nämlich der sog. "Pflichtteil" zustehen soll. Beim Pflichtteil handelt es sich jedoch um keinen (Mindest-)Erbteil, sondern vielmehr um einen rein geldwerten Anspruch gegen den oder die vom Testierenden berufenen Erben.


Pflichtteilsrecht von pflichtteilsberechtigten Personen

Gem. § 2303 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zählen zu den pflichtteilsberechtigten Personen (Pflichtteilsberechtigte) lediglich:

  • der Ehegatte des Erblassers bzw. der eingetragene Lebenspartner, sofern dieser noch mit dem Erblasser zum Zeitpunkt des Todes verheiratet und auch kein Scheidungsverfahren anhängig gewesen ist, § 2303 Abs.2 Alt.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),
  • die Abkömmlinge des Erblassers, also die mit dem Erblasser gem. § 1589 S.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in gerader Linie Verwandten jedes Grades, nämlich die Kinder, Enkelkinder und Urenkelkinder, § 2303 Abs.1 S.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wobei regelmäßig das Pflichtteilsrecht entfernterer Verwandten durch das Vorhandensein näherer pflichtteilsberechtigter Verwandter gem. § 2309 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgeschlossen wird,
  • die Eltern des Erblassers, wobei deren Pflichtteilsrecht gem. § 2309 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) regelmäßig durch das Vorhandensein pflichtteilsberechtigter Abkömmlinge des Erblassers ausgeschlossen wird.

Weitere Pflichtteilsberechtigte kennt das deutsche Erbrecht nicht. Die vorgenannte Aufzählung ist insoweit abschließend, wonach anderen Personen, wie z.B. den Geschwistern des Erblassers, kein Pflichtteilsrecht zusteht.

Ist einer der vorstehend aufgezählten pflichtteilsberechtigten Personen vom Erblasser durch Verfügung von Todes wegen enterbt worden, steht diesem ein Anspruch auf Zahlung des Pflichtteils in Geld gegen den oder die Erben zu, ohne dass dem Pflichtteilsberechtigte damit die rechtliche Stellung eines (Mit-)Erben zukommt.

Damit ist Voraussetzung für das Entstehen von Pflichtteilsrechten, dass eine pflichtteilsberechtigte Person von der Erbfolge durch letztwillige Verfügung des Erblassers ausgeschlossen worden ist oder das Erbe in berechtigter Weise ausgeschlagen hat, ohne dadurch sein Pflichtteilsrecht verloren zu haben.

Schlägt eine zum (Mit-)Erben berufene und grundsätzlich pflichtteilsberechtigte Person das Erbe aus, verliert er in der Regel auch sein Pflichtteilsrecht. Etwas anderes gilt z.B. gem. § 2306 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nur dann, wenn der ausschlagende pflichtteilsberechtigte Erbe durch Nacherbenbestimmung oder der Berufung eines Testamentsvollstreckers oder Teilungsanordnung oder Vermächtnisanordnung oder der Anordnung von Auflagen  entweder Beschränkungen oder Beschwerungen unterliegt.

Wenn einem Pflichtteilsberechtigten dagegen ein Vermächtnis zugewendet wurde, kann er gem. § 2307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entweder das Vermächtnis ausschlagen und statt dessen den Pflichtteil geltend machen oder er kann das Vermächtnis annehmen, wonach er sich dieses auf seinen Pflichtteil anzurechnen lassen hat, mit der Maßgabe, dass der dann zusätzlich nur noch den Restpflichtteil beanspruchen kann, soweit der Pflichtteil hinter dem Wert des Vermächtnisses, ohne die Berücksichtigung von Beschwerungen und Beschränkungen, zurückbleibt.


Beispiel 1 zum Pflichtteilsrecht von pflichtteilsberechtigten Personen

Der verheiratete und in gesetzlicher Güterform lebende Erblasser (M), welcher zwei leibliche Abkömmlinge, nämlich die Kinder (K1) und (K2) hat, setzt in seinem Testament seine Ehefrau (F) zur Alleinerben für sein gesamtes Nachlassvermögen ein, welches 200.000,00 € beträgt. Kurz vor seinem Ableben verstirbt das Kind K2, welches selbst zwei leibliche Abkömmlinge, nämlich die Enkelkinder des Erblasser (E1) und (E2) hinterlässt.

Durch die alleinige Erbeinsetzung der Ehefrau (F) wurden die Kinder (K1) und (K2) von der (gesetzlichen) Erbfolge ausgeschlossen. Beide Kinder sind damit pflichtteilsberechtigt. Anstelle des vorverstorbenen Kindes (K2) treten nunmehr dessen Abkömmlinge, also die Enkelkinder des Erblasser (E1) und (E2). Damit können von Kind (K1) und den Enkelkindern (E1) und (E2) Pflichtteilsrecht gegen die zur Alleinerbin berufene Ehefrau (F) geltend gemacht werden.


Beispiel 2 zum Pflichtteilsrecht von pflichtteilsberechtigten Personen

Der verwitwete Erblasser (M), hat zwei leibliche Abkömmlinge, nämlich die Kinder (K1) und (K2). Er setzt in seinem Testament seinen Bruder (B) für sein gesamtes Nachlassvermögen, welches 100.000,00 € beträgt, ein und ordnet an, dass das Kinder (K1) ein Vermächtnis von 25.000,00 € erhalten soll.

Das Kind (K1) hat jetzt die Wahl, ob es entweder das ihm zugedachte Vermächtnis annimmt oder dieses ausschlägt und stattdessen seinen Pflichtteil vom Bruder (B) des Erblassers beansprucht, während das Kind (K2) gegenüber diesem allein seinen Pflichtteil geltend machen kann.


Höhe des Pflichtteilsanspruchs im Pflichtteilsrecht - Pflichtteilsquote

Zur Bestimmung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs ist zunächst die Höhe der Pflichtteilsquote zu ermitteln. Die Höhe der Pflichtteilsquote regelt § 2303 Abs.1 S.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach beträgt die Höhe des (ordentlichen) Pflichtteils die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Bei der Berechnung des quotenmäßigen Pflichtteilsanspruchs ist danach zunächst der gesetzliche Erbteil des Pflichtteilsberechtigten zu ermitteln, welcher sich bei gesetzlicher Erbfolge ergeben würde, mit der Maßgabe, dass dieser danach halbiert wird.

Für die Berechnung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs ist danach gem. § 2311 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf den Wert des Bestands des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalles abzustellen. Vom Aktivnachlass werden nur pflichtteilsrelevante Nachlassverbindlichkeiten abgezogen, wonach z.B. angeordnete Vermächtnissen oder Vergütungen eines Testamentsvollstreckers nicht abgezogen werden dürfen, um zu verhindern, dass der Erblasser durch derartige Anordnungen die Pflichtteilsansprüche zu Lasten der Pflichtteilsberechtigten unterläuft oder schmälert.

Damit der Pflichtteilsberechtigte seine Pflichtteilsansprüche der Höhe nach konkret beziffern und einfordern kann, stehen ihm gegen den Erben mehrere Auskunftsansprüche gem. § 2314 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu. Er kann zunächst Auskunft über den Bestand des Nachlasses zum Stichtag durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses gem. § 2314 Abs.1 S.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beanspruchen. Darüber hinaus kann er ein notarielles Nachlassverzeichnis gem. § 2314 Abs.1 S.3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie die Vorlage von Wertermittlungsgutachten eines Sachverständigen über die in den Nachlass fallenden Nachlassgegenstände von unbestimmten Wert (z.B. Immobilien) gem. § 2314 Abs.1 S.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) einfordern. Sollten danach noch Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte bestehen, kann zudem auch noch die eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskünfte gem. § 260 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gefordert werden.


Beispiel zur Berechnung von Pflichtteilsquote und Pflichtteil von Abkömmlingen

Der in der gesetzlichen Güterform der Zugewinngemeinschaft verheiratete Erblasser (M), welcher nur einen leiblichen Abkömmling, nämlich das Kind (K1) hat, bestimmt in einem Testament seine Ehefrau (F) zu seiner Alleinerben, welche sein gesamtes Nachlassvermögen von 200.000,00 € erben soll.

Durch die alleinige Erbeinsetzung der Ehefrau (F) wurde das Kind (K1) enterbt und von der (gesetzlichen) Erbfolge ausgeschlossen. Das Kind (K1) ist damit pflichtteilsberechtigt. Bei gesetzlicher Erbfolge, also ohne die Errichtung eines Testaments, wären die Ehefrau (F) und das Kind (K1) nach dem Erblasser (M) gemeinsam zur Erbfolge berufen gewesen, wonach die Erbquoten der Ehefrau (F) und von Kind (K1) jeweils 1/2 betragen hätte. Zwar erben Ehegatten erben neben Verwandten der ersten Ordnung, z.B. Kindern, nur zu 1/4; beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft erhöht sich die Erbquote des Ehegatten gem. § 1371 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aber um einen pauschalierten Zugewinnausgleich von Todes wegen in Höhe von 1/4 auf 1/2 (1/4 + 1/4). Danach beträgt die Pflichtteilsquote von Kind (1) infolge dessen Enterbung lediglich 1/4 (1/2 : 2), nämlich die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Damit kann das Kind (K1) gegenüber der zur Alleinerbin berufenen Ehefrau (F) die Zahlung eines ordentlichen Pflichtteils von 50.000,00 € (200.000,00 € x 1/4) in Geld einfordern.


Beispiel zur Berechnung von Pflichtteilsquote und Pflichtteil von Ehegatten

Der verheiratete Erblasser (M), welcher mit seiner Ehefrau (F) in der gesetzlichen Güterform der Zugewinngemeinschaft lebte und nur einen leiblichen Abkömmling hat, nämlich das Kind (K1), setzt in seinem Testament das Kind (K1) zu seinem Alleinerben ein. Das Nachlassvermögen des Verstorbenen beträgt 200.000,00 €.

Bei diesem Beispiel stellt sich die Frage, ob hier wie im vorstehenden Beispiel bei der Berechnung der Pflichtteilsquote der im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebenden und enterbten Ehefrau im Zuge die zunächst zu bestimmende Erbquote bei gesetzlicher Erbfolge, welche neben Verwandten der ersten Ordnung nur 1/4 beträgt, ebenfalls um ein weiteres 1/4 auf 1/2 (1/4 + 1/4) zu erhöhen ist. Gem. § 1371 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) findet in diesem Fall jedoch einer Erhöhung nicht statt. Ein pauschalierter Zugewinnausgleich von Todes wegen ist hiernach nur dann zu berücksichtigen, wenn der Ehegatte selbst auch Erbe bzw. Miterbe wird; ist dies nicht der Fall, ist der Ehegatte darauf verwiesen, den Zugewinnausgleich gem. §§ 1373 bis 1383, 1390 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) konkret zu berechnen.

Danach hätte im obigen Fall die Erbquote der Ehefrau (F) bei gesetzlicher Erbfolge nur 1/4 betragen, woraus sich eine Pflichtteilsquote der enterbten Ehefrau (F) in hälftiger Höhe von 1/8 (1/4 : 2) ableitet. Damit kann die Ehefrau (F) gegenüber dem zum Alleinerben berufenen Kind (K1) einen ordentlichen Pflichtteil von 25.000,00 € (200.000,00 € x 1/8) durch Zahlung in Geld beanspruchen.


Pflichtteilsergänzungsanspruch neben Pflichtteil und Abschmelzung

Da sich der Pflichtteil nach dem Bestand des Nachlasses zum Todeszeitpunkt als Stichtag berechnet, könnte der Erblasser die Pflichtteilsansprüche des Pflichtteilsberechtigten dadurch unterlaufen, dass der sein Vermögen zu Lebzeiten ganz oder teilweise beiseiteschafft, beispielsweise an Dritte verschenkt. Damit würde sich nur noch ein erheblich verringerter Nachlassbestand zum Todeszeitpunkt oder gar kein nennenswerter Nachlass mehr ergeben, mit der Folge, dass sich Pflichtteilsansprüche ebenfalls entsprechend verringern würden oder im schlimmsten Fall gar kein ordentlicher Pflichtteil mehr zu realisieren wäre. Einer derartigen Beeinträchtigung von Pflichtteilsrechten trägt das deutsche Erbrecht dadurch Rechnung, dass es dem Pflichtteilsberechtigten dann einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. §§ 2325 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegen den Erben oder den Beschenkten gewährt.

Im Gesetz ist deshalb in § 2325 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein Ergänzungsanspruch geregelt. Die dortige Regelung bestimmt, dass Schenkungen des Erblassers in den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall, bei der Berechnung des Pflichtteils dem Nachlass anteilig hinzugerechnet werden, § 2325 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Allerdings unterliegt die Pflichtteilsergänzung seit dem 01.01.2010 der sog. "Abschmelzung".


Beispiel zur Pflichtteilsergänzung und Abschmelzung

Der Erblasser (M) ist mit seiner Ehefrau (F) in Zugewinngemeinschaft verheiratet. Beide haben nur ein gemeinsames Kind (K). Der Erblasser (M) setzt in seinem Testament seine Ehefrau (F) zu seiner Alleinerbin ein. Allerdings hat er aus seinem Vermögen innerhalb des letzten Jahres vor seinem Tod an seine Nichte (N) 100.000,00 € verschenkt, wonach sein Nachlass beim Tod nur noch 500.000,00 € beträgt.

Für die Berechnung der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche des enterbten und damit pflichtteilsberechtigten Kindes (K) ist zu dem beim Tod des verstorbenen Erblassers (M) noch vorhandenen Nachlass von 500.000,00 € der zu dessen Lebzeiten verschenkte Geldbetrag von 100.000,00 €, nämlich der fiktive Nachlass,  zu addieren. Ausgehend von einer Pflichtteilsquote des Kindes (K) in Höhe der Hälfte von dessen gesetzlichen Erbteil von 1/4 (1/2 : 2) ergibt sich damit ein Gesamtbetrag aus Pflichtteil und Pflichtteilsergänzung von 150.000,00 € ((500.000,00 € + 100.000,00 €) : 4), welcher sich aus einem ordentlichen Pflichtteil von 125.000,00 € (500.000,00 € : 4) und einem Pflichtteilsergänzungsanspruch von 25.000,00 € (100.000,00 € : 4) zusammensetzt.

Wegen der seit dem 01.01.2010 geltenden Abschmelzung gem. § 2325 Abs.3 S.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist die Schenkung für jedes Jahr, welche die Schenkung weiter vor dem Erbfall zurückliegt, mit 1/10 weniger zu berücksichtigen. Im vorgenannten Beispiel würde die Schenkung somit nur noch mit 8/10, also nur noch in Höhe von 80.000,00 € berücksichtigt, wenn sie bereits mehr als zwei Jahre, jedoch nicht mehr als drei Jahre vor dem Tod des Erblassers (M) erfolgt wäre. In diesem Fall würde sich danach für das Kind (K) ein Gesamtbetrag aus Pflichtteil und Pflichtteilsergänzung von 145.000,00 € ((500.000,00 € + 80.000,00 €) : 4) ergeben, welcher sich nach dem Pflichtteil von 125.000,00 € (500.000,00 € : 4) und dem Pflichtteilsergänzungsanspruch von 20.000,00 € (80.000,00 € : 4) bestimmt.

Wäre die Schenkung bereits vor mehr als zehn Jahren vor dem Tod des Erblassers (M) erfolgt, ist sie gem. § 2325 Abs.3 S.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bei der Pflichtteilsergänzung nicht mehr zu berücksichtigen. Im obigen Beispiel würde somit das Kind (K) nur noch allein seinen ordentlichen Pflichtteil von 125.000,00 € (500.000,00 € : 4) erhalten.

Eine Abschmelzung findet gem. § 2325 Abs.3 S.3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) jedoch nicht statt, wenn die Schenkung des Erblassers an den Ehegatten erfolgt. Wenn also im vorgenannten Beispiel der Erblasser (M) zu dessen Lebzeiten einen Geldbetrag von 100.000,00 € an seine Ehefrau (F) verschenkt hätte, wäre diese Schenkung unabhängig davon, wann und vor wieviel Jahren sie erfolgte, vollumfänglich bei der Pflichtteilsergänzung zu berücksichtigen, ohne dass eine Abschmelzung stattfindet und ohne dass die Zehnjahresfrist gem. § 2325 Abs.3 S.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gilt. In diesem Fall beträgt somit der Pflichtteilsergänzungsanspruch von Kind (K) nach dem Beispiel stets 25.000,00 € (100.000,00 € : 4).


Zusatzpflichtteil im Pflichtteilsrecht

In den Fällen, in welchen ein Pflichtteilsberechtigter zwar als Erbe eingesetzt worden ist, sein Erbteil jedoch den Pflichtteil nicht erreicht, also der Erbteil geringer ist als der Pflichtteil, gewährt § 2305 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dem Erben einen Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil, wodurch eine Erhöhung des Erbteils auf den Pflichtteil bewirkt wird.


Beispiel für den Zusatzpflichtteil

Der Erblasser (M) ist im Güterstand der Zugewinngemeinschaft mit der Ehefrau (F) verheiratet und hat mit dieser nur ein gemeinsames Kind (K). Der Erblasser (M) setzt in einem Testament seine Ehefrau (F) und das Kind (K) gemeinsam zu Erben zu gleichen Teilen ein. Ferner bestimmt er im Testament durch Teilungsanordnung gem. § 2048 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), dass aus seinem Gesamtvermögen seine Ehefrau (F) die Immobilie mit einem Wert von 500.000,00 € und das Kind (K) das übrigen vorhandene geldwerte Vermögen von 100.000,00 € erhalten soll.

In diesem Fall beträgt der Gesamtnachlass des verstorbenen Erblassers (M) 600.000,00 € (500.000,00 € + 100.000,00 €). Bei gesetzliche Erbfolge wären die Ehefrau (F) und das Kind (K) zu gleichen Teilen, also je zu 1/2, zu (Mit-)Erben berufen gewesen, wonach die Erbteile der Ehefrau (F) und des Kindes (K) wertmäßig jeweils 300.000,00 € (600.000,00 € : 2) betragen hätten, woraus sich ein Pflichtteil von beiden von jeweils 150.000,00 (600.000,00 € : 2 : 2) errechnet. Hier erhält das Kind (K) nach dem Testament des Erblassers (M) jedoch nur wertmäßig 100.000,00 €, also weniger als ihr Pflichtteil beträgt. Das Kind (K) hat daher einen Zusatzpflichtteilsanspruch gegen die zur Miterbin berufene Ehefrau (F) auf Zahlung von weiteren 50.000,00 € (150.000,00 – 100.000,00 €), um als Miterbin zumindest ihren Pflichtteil zu erhalten.


Ausschluss des Pflichtteilsrechts - Kein Pflichtteil

Einen Ausschluss des Pflichtteilsrechts, mit der Folge, dass Pflichtteilsberechtigte leer ausgehen, lässt das deutsche Erbrecht nur in wenigen Ausnahmen zu. An den Verlust des Pflichtteils knüpft das Gesetz hohe Hürden.


Pflichtteilsunwürdigkeit

In § 2345 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist die Pflichtteilsunwürdigkeit geregelt. Danach ist der Pflichtteilsberechtigte dann pflichtteilsunwürdig und verliert seinen Pflichtteilsanspruch, wenn er sich einer der in § 2339 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelten Verfehlung schuldig gemacht hat. Dies ist dann der Fall, wenn der Pflichtteilsberechtigte

  1. den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich getötet oder zu töten versucht oder in einen Zustand versetzt hat, infolge dessen der Erblasser bis zu seinem Tode unfähig war, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,
  2. den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich verhindert hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,
    den Erblasser durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,
  3. sich in Ansehung einer Verfügung des Erblassers von Todes wegen einer Straftat nach §§ 267, 271 bis 274 Strafgesetzbuch (StGB) schuldig gemacht hat.

Erbverzicht - Pflichtteilsverzicht

Darüber hinaus steht gem. § 2346 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) demjenigen kein Pflichtteil zu, der auf sein Erbrecht oder sein Pflichtteilsrecht rechtswirksam verzichtet hat; ein derartiger Erbverzicht oder Pflichtteilsverzicht bedarf zur Wirksamkeit allerdings gem. § 2348 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) regelmäßig der notariellen Beurkundung.


Ehescheidung

Daneben steht dem Ehegatten des Erblassers ein Pflichtteil dann nicht mehr zu, wenn beim Tod des Erblassers bereits ein Verfahren auf Scheidung der Ehe eingeleitet wurde und Scheidungsantrag eingereicht worden war. Denn das Erbrecht des Ehegatten und damit auch das Pflichtteilsrecht erlischt gem. § 1933 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bereits dann, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zumindest zugestimmt hatte; das Gleiche gilt auch dann, wenn der Erblasser berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen und einen solchen Antrag gestellt hatte.


Pflichtteilsentziehung

Ferner kann der Erblasser einem Abkömmling, dem Ehegatten oder einem Elternteil gem. § 2333 Abs.1, Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) den Pflichtteil ausdrücklich entziehen. Eine Pflichtteilsentziehung ist jedoch nur in den Fällen möglich, wenn dieser

  1. dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Person nach dem Leben trachtet,
  2. sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der in Nummer 1 bezeichneten Personen schuldig macht,
  3. die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt,
  4. wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Gleiches gilt, wenn die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird.

Die Entziehung des Pflichtteils kann gem. § 2336 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nur durch letztwillige Verfügung erfolgen. Dabei muss der Grund der Entziehung zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung (noch) bestehen und in der letztwilligen Verfügung ausdrücklich angegeben werden. Das Recht zur Entziehung des Pflichtteils erlischt gem. § 2337 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) jedoch nachträglich durch Verzeihung durch den Erblasser.

 


Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht

Im Übrigen kann der Erblasser gem. § 2338 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) das Pflichtteilsrecht des Pflichtteilsberechtigten in guter Absicht beschränken. Wenn sich ein Abkömmling in einem hohen Maß der Verschwendung hingegeben oder sich in solchem Maß überschuldet hat, dass sein späterer Erwerb des Pflichtteils bei Eintritt des Erbfalls erheblich gefährdet wird, so kann der Erblasser das Pflichtteilsrecht des Abkömmlings durch eine Anordnung dahingehend beschränken, dass er dieses beispielsweise den Verfügungsbeschränkungen eines (nicht befreiten) Vorerben unterwirft oder die Verwaltung des Pflichtteils durch Anordnung einer Testamentsvollstreckung einem eingesetzten Testamentsvollstrecker überträgt. Dadurch erhält der Pflichtteilsberechtigte zwar seinen Pflichtteil, kann darüber jedoch nur beschränkt verfügen und diesen somit nicht verschwenden.


Verjährung von Pflichtteilsrechten

Schließlich können Pflichtteilsrechte auch durch Verjährung untergehen.

Die Verjährungsfrist für Pflichtteilsansprüche i.S.v. §§ 2303 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beträgt gem. § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) drei Jahre. Die Verjährungsfrist beginnt gem. § 199 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Ende des Jahres, in dem folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

  1. Kenntnis über den Eintritt des Erbfalls (Todesfall des Erblassers),
  2. Kenntnis von der enterbenden oder beschränkenden letztwilligen Verfügung des Erblassers (Testament des Erblasers).

Ohne Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Erbfall besteht gem. § 199 Abs.3a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine maximale Verjährungsfrist von 30 Jahren zur Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs.

Die Verjährungsfrist für Pflichtteilsergänzungsansprüche i.S.v. §§ 2325 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beträgt gem. § 2332 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zwar ebenfalls drei Jahre. Abweichend von § 199 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beginnt die Verjährungsfrist für die dem Pflichtteilsberechtigten gem. § 2329 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegen den Beschenkten zustehende Pflichtteilsergänzungsansprüche jedoch bereits mit dem Erbfall und damit unabhängig von der Kenntniserlangung des Pflichtteilsberechtigten. Dies gilt auch, wenn der Beschenkte zugleich Erbe ist.

Nach Verjährung von Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüchen können diese vom Pflichtteilsberechtigten nicht mehr realisiert werden, wenn hiergegen die Einrede der Verjährung erhoben wird, womit regelmäßig zu rechnen ist.


Pflichtteilsvermeidungsstrategien beim Pflichtteilsrecht

Regelmäßig verfolgen Erblasser die Intension, den oder die von ihnen eingesetzten Erben vor der Inanspruchnahme durch Pflichtteilsberechtigte zu bewahren, um beispielsweise zu vermeiden, dass von diesen der Nachlass verwertet werden muss, um Pflichtteilsrechte zu befriedigen. Insoweit stellt sich die Frage nach Pflichtteilsvermeidungsstrategien, nämlich danach, ob und welche Möglichkeiten bestehen, die Geltendmachung von Pflichtteilsrechten bereits im Vorfeld zu vermeiden oder Pflichtteilsrechte zumindest herabzusetzen, nachdem es ungeachtet der vorstehend dargestellten Ausnahmen bei Eintritt des Erbfalls in der Regel nicht möglich ist, die Geltendmachung von Pflichtteilsrechten vollständig zu vermeiden. Hierzu gibt es z.B. nachfolgende Strategien, welche nicht für abschließend zu betrachten sind.


Verwertung und Beiseiteschaffen des Nachlasses zu Lebzeiten

Da sich die Höhe des Pflichtteils nach der Höhe des beim Erbfall vorhandenen Nachlasses richtet, gilt der Grundsatz "Wo kein Nachlass, da auch kein Pflichtteil". Der Erblasser kann also zur Vermeidung des Entstehens von Pflichtteilsansprüchen der Pflichtteilsberechtigten bei seinem Tod bereits im Vorfeld zu Lebzeiten versuchen, sein Vermögen systematisch beiseite zu schaffen oder zu verwerten, nämlich z.B. Immobilien zu veräußern.

Allerdings bleibt bei der lebzeitigen Verwertung von Vermögensgegenständen der Verwertungserlös als Surrogat im Vermögen des Erblassers; hinzukommt, dass eine Verwertung von Vermögen unter deren tatsächlichen Wert eine gemischte Schenkung darstellt und damit zwar Pflichtteilsansprüche verringert, diese jedoch geeignet ist, Pflichtteilsergänzungsansprüche der Pflichtteilsberechtigten auszulösen.

Auch das Beiseiteschaffen von Vermögen, also z.B. das Verschaffen von Vermögenswerte an einen den Pflichtteilsberechtigten unbekannten Ort, lässt die Zugehörigkeit des beiseite geschafften Vermögens zum Nachlass des Erblassers grundsätzlich unberührt; dies stellt allerdings im Erbfall den Pflichtteilsberechtigte regelmäßig vor die Schwierigkeit, den Verbleib und die Existenz des beiseite geschafften Vermögens aufzuklären, sofern der ihm gegenüber zur Auskunft verpflichtete Erbe diesbezüglich keine Aufklärung schafft.


Lebzeitige Zuwendungen

Der Erblasser ist zu dessen Lebzeiten in der Regel völlig frei darin, über sein Vermögen zu verfügen. Er kann also sein Vermögen oder Teile davon auf Dritte unentgeltlich im Wege von Schenkungen übertragen. Dadurch werden im Erbfall sowohl der Nachlass des Erblassers, wie auch die Pflichtteilsansprüche von Pflichtteilsberechtigten geschmälert.

Allerdings lösen die Schenkungen regelmäßig Pflichtteilsergänzungsansprüche aus, wonach Pflichtteilsberechtigte den fiktiven Pflichtteil von dem verschenkten Vermögen entweder vom Erben oder dem Beschenkten anstelle des durch die Schenkung verringerten Pflichtteils einfordern können. Gleichwohl kann dies wegen der Abschmelzung, wonach der Wert der unentgeltlichen Zuwendung mit jedem Jahr, das zwischen dem Zeitpunkt der Zuwendung und dem Erbfall liegt um 1/10 weniger berücksichtigt wird und bei mehr als 10 Jahren sogar vollständig unberücksichtigt bleibt, zu einer erheblichen Verringerung oder gar dem völligen Wegfall von Pflichtteilsrechten führen.

Insoweit gilt es jedoch unbedingt darauf zu achten, dass die zehnjährige Abschmelzungsfrist auch tatsächlich mit der Zuwendung zu laufen beginnt. Dies ist nämlich bei Zuwendungen an Ehegatten gem. § 2325 Abs.3 S.3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und bei vorbehaltenen Rechten des Erblassers am Schenkungsgegenstand, wie z.B. bei einem vorbehaltenen, lebenslangen und unentgeltlichen Nießbrauchsrecht oder Wohnungsrecht, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung i.d.R. nicht gegeben.

Ungeachtet des Vorerwähnten kann der Erblassers bei lebzeitigen Zuwendungen seines Vermögens oder Teilen davon an Dritte das Entstehen von Pflichtteilsergänzungsansprüchen dadurch zu vermeiden versuchen, indem er das Vermögen nicht verschenkt, sondern eine angemessene Gegenleistung vereinbart. Überträgt er beispielsweise sein Immobilienvermögen an Dritte gegen Zahlung einer lebenslangen monatlichen Leibrente oder gegen Gewährung eines lebenslangen unentgeltlichen Wohnungsrechts oder Nießbrauchsrechts oder einer Verpflichtung zur lebenslangen Wart und Pflege bzw. der Verpflichtung zur Erbringung von Pflegeleistungen und stehen diese Gegenleistungen im gleichen Wertverhältnis wie der Wert die übertragenen Immobilien, liegt weder eine Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösende Vollschenkung, noch eine gemischte Schenkung vor und der Nachlass sowie der Pflichtteil wurden geschmälert.


Lebzeitige unentgeltlich Zuwendungen unter Pflichtteilsverzicht

Der Erblasser kann den Anfall von Pflichtteils- und etwaigen Pflichtteilsergänzungsansprüchen im Erbfall auch dadurch verhindern, indem er den Pflichtteilsberechtigten bereits zu seinen Lebzeiten Teile seines Vermögens zuwendet und die Pflichtteilsberechtigten im Gegenzug auf ihr Erbrecht und/oder Pflichtteilsrecht verzichten. Ein derartiger Verzicht bedarf allerdings zur Wirksamkeit gem. § 2348 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der notariellen Beurkundung.


Lebzeitige unentgeltliche Zuwendungen unter Anrechnungsbestimmung auf den Pflichtteil

Will ein Erblasser Pflichtteilsansprüche im Erbfall vermeiden oder zumindest schmälern, kann der den Pflichtteilsberechtigten zu seinen Lebzeiten auch Vermögenteile übertragen und dies zum Zeitpunkt der Zuwendung mit ausdrücklichen Anordnung verbinden, dass sich die Pflichtteilsberechtigten deren Wert auf ihren Pflichtteilsanspruch anrechnen lassen müssen. § 2315 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestimmt nämlich, dass sich der Pflichtteilsberechtigte auf den Pflichtteil das anrechnen zu lassen hat, was ihm vom Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet worden ist, dass es auf den Pflichtteil angerechnet werden soll. Bei der Pflichtteilsberechnung im Erbfall wird dann Wert der Zuwendung dem Nachlass gem. § 2315 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zunächst hinzugerechnet.


Pflichtteilsstrafklauseln

Durch die geschickte Gestaltung einer letztwilligen Verfügung kann der Erblasser zumindest versuchen, die Pflichtteilsberechtigten bei seinem Tod von der Geltendmachung ihrer Pflichtteilrechte gegen den Erben abzuhalten, indem er für den Fall der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen erbrechtliche Nachteile anordnet. So können beispielsweise Ehegatten, welche ein gemeinschaftlicher Ehegattentestament in der typischen Form eines sog. "Berliner Testaments" errichten, in welchem sich die Ehegatten beim Tod des Erstversterbenden wechselseitig zu Alleinerben einsetzen und nach dem Tod des Letztversterbenden die Abkömmlinge gemeinsam zu gleichen Teilen zu Schlusserben berufen, im Zuge einer einfachen Pflichtteilsstrafklausel bestimmen, dass derjenige Abkömmling, welcher nach dem Tod des Erstversterbenden gegen den Willen des längstlebenden Elternteils seinen Pflichtteil geltend macht, von der Erbfolge nach dem Ableben des Längstlebenden ausgeschlossen ist und ebenfalls nur den Pflichtteil erhält.

Neben den einfachen Pflichtteilsstrafklauseln gibt es auch noch andere gängige Strafklauseln, mit deren Hilfe man in einem Testament der Geltendmachung von Pflichtteilsrechten begegnen kann. Bei der sog. "Jastrow‘schen Formel" findet gegenüber einfachen Pflichtteilsstrafklauseln eine zusätzliche Verschärfung dadurch statt, indem darüber hinaus bestimmt wird, dass diejenigen Abkömmlinge, die nach dem erstversterbenden Elternteil auf die Geltendmachung ihres Pflichtteils verzichten, zusätzlich zu ihrem Erbteil nach dem Tod des Längstlebenden noch ein Vermächtnis in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils nach dem Erstversterbenden erhalten. Der seinen Pflichtteil geltend machende Abkömmling wird hierdurch in seinem Pflichtteil nach dem Tod des Längstlebenden noch weiter benachteiligt, da dessen Nachlass, woraus sich der Pflichtteil bestimmt, um die gestundeten Vermächtnisse erheblich vermindert wird.


Erweiterung des Kreises von Pflichtteilsberechtigten

Eine der weiteren Möglichkeiten von Erblassern, um den Pflichtteil einzelner Pflichtteilsberechtigte zu verringern, ist es, den Kreis der Pflichtteilsberechtigten zu Lebzeiten rechtzeitig zu erweitern. Hierzu kann sich der Erblasser entweder, z.B. nach dem Vorversterben seines früheren Ehegatten wieder, verheiraten oder dritte Personen adoptieren. Dadurch kommt es im Erbfall zu einer Verringerung der Pflichtteilsquoten der bisherigen Pflichtteilsberechtigten.

Hat beispielsweise ein verwitweter Erblasser nur einen leiblichen Abkömmling, wäre dessen Pflichtteil die Hälfte des Nachlasses (1 : 2). Heiratet der Erblasser nunmehr aber nochmals im gesetzlichen Güterstand und adoptiert zusätzlich noch eine Person, verringert sich der Pflichtteil des ursprünglich einzigen Abkömmlings auf 1/8 (1/4 : 2).


Herbeiführung der Anwendbarkeit ausländischen Erbrechts - Rechtswahl

Schließlich kann versucht werden, durch eine geschickte Verlegung des Wohnsitzes des Erblassers rechtzeitig vor dessen Tod in einen ausländischen Staat, dessen Erbrecht ein gesetzliches Pflichtteilsrecht nicht kennt, Pflichtteilsansprüche zu vermeiden. Staaten, die entweder überhaupt kein oder nur ein eingeschränktes Pflichtteilsrecht kennen, sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit derzeit z.B.:

  • Äthiopien,
  • Albanien (kennt nur ein Pflichtteilsrecht von Arbeitsunfähigen und Minderjährigen),
  • Australien,
  • China,
  • England,
  • Estland (kennt nur ein Pflichtteilsrecht von Arbeitsunfähigen und Minderjährigen),
  • Finnland (kennt kein Pflichtteilrecht von Ehegatten),
  • Irland,
  • Kanada (einige Bundesstaaten),
  • Kasachstan (kennt nur ein Pflichtteilsrecht von Minderjährigen),
  • Kirgisistan (kennt nur ein Pflichtteilsrecht von Arbeitsunfähigen und Minderjährigen),
  • Madagaskar (kennt nur ein Pflichtteilsrecht von Minderjährigen),
  • Moldawien (kennt nur ein Pflichtteilsrecht von Arbeitsunfähigen und Minderjährigen),
  • Nordirland,
  • Polen (kennt nur ein Pflichtteilsrecht von Arbeitsunfähigen und Minderjährigen),
  • Schottland,
  • Schweden (kennt kein Pflichtteilsrecht von Ehegatten),
  • Slowakei (kennt kein Pflichtteilsrecht von Ehegatten),
  • Südafrika,
  • USA (einige Bundesstaaten),
  • Wales.

Um im Erbfall die ausschließliche Anwendbarkeit ausländischen Erbrechts, welches eine Pflichtteilsrecht nicht kennt, sicher zu begründen genügt nicht lediglich die Aufnahme einer Rechtswahlbestimmung in ein Testament, in welchem der Testierende die ausschließliche Anwendbarkeit eines ausländischen Erbrecht anordnet. Hierfür ist es nach den Regelungen der am 17.08.2015 in Kraft getretenen Europäische Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) vielmehr erforderlich, dass der Erblasser in dem ausländischen Staat seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte, also dorthin dauerhaft seinen Wohnsitz verlegt und seinen Lebensmittelpunkt dort begründet hatte und weder ein Missbrauch noch eine Umgehung der Europäischen Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) vorliegt.